6. July 2023

Innovativ, nachhaltig, erfolgreich – Salze fürs Leben

Salze der Essigsäure – diese Produkte sind nicht neu. Doch die Art und Weise, wie sie hergestellt werden, könnte ausgerechnet in einem Unternehmen im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen revolutioniert werden. Hinter der Neuansiedlung beachemie in der Parsevalstraße steht ein innovatives Konzept.

Wenn Oliver Kolbe und Dr. Markus Oster aus ihren Bürofenstern in der Parsevalstraße schauen, dann sehen sie auf der anderen Straßenseite mehr als ein Gebäude. Dort drüben, keine fünfzig Meter entfernt, ist etwas entstanden, in das sie in den vergangenen Jahren all ihr Herzblut investiert haben. Und an das sie bedingungslos glauben. „Aktuell fühlt es sich sehr schön an“, sagt Oliver Kolbe, „weil wir endlich fertigwerden und starten können. Wir haben uns lange auf diesen Moment vorbereitet.“ Erst im Sommer 2022 begannen auf dem rund 16.000 Quadratmeter großen Grundstück zwischen Antonien- und Robert Grießbach Straße die Bauarbeiten für das neue Unternehmen beachemie – in diesen Tagen nun hat die Firma von Geschäftsführer Kolbe und Technischem Leiter Oster die Inbetriebnahme gestartet. In aktuell zwei Linien sollen pro Jahr bis zu 25.000 Tonnen Salze der Essigsäure hergestellt werden. Die-se werden für viele Anwendungsgebiete u.a. als Säureregulatoren für Lebensmittel und als Hilfsstoffe für die Pharmaindustrie benötigt. Zehn Millionen Euro wurden investiert, die Investitionsbank Sachsen-Anhalt hat unterstützt.

Der Optimismus der Macher ist groß. Denn sie haben einen Trumpf im Ärmel. „ Salze der Essigsäure zu gewinnen, ist im Kern keine große Kunst“, sagt Oliver Kolbe, „dabei handelt es sich um ein seit Jahrzehnten erprobtes Vefahren. Doch wir stellen das jetzt ein bisschen auf den Kopf, weil wir es anders machen als jeder andere unserer Marktbegleiter. Wir verfügen über eine einzigartige Prozesstechnik, die es so im Markt bisher nicht gibt. Wir benötigen viel weniger Energie zur Herstellung und wir produzieren in einem kontinuierlichen Fertigungsverfahren.“ Und Markus Oster ergänzt: „Wir kommen am Ende mit einer extrem hohen Qualität unserer Acetatsalze heraus und produzieren frei skalierbare Mengen mit sehr geringem Energieeinsatz.“.

VERTRAUTER STANDORT

Wie das gelingt, darüber schweigen sich die beiden Chefs lächelnd aus – logisch. Dafür aber erzählen sie freimütig, warum sie sich ausgerechnet im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen angesiedelt haben. Die Gründe dafür sind viel-fältig. „Der Standort war uns bekannt, wir fühlen uns vertraut mit ihm. Wir waren beide schon für das Unternehmen Addcon als Investor bzw. Berater aktiv“, erzählt Kolbe, „zudem gab es interessante Förderprogramme für Neuansiedlungen durch die Investitionsbank Sachsen-Anhalt. Auch gibt es hier ausreichend Fachkräfte, die an neuen Herausforderungen wie bei uns interessiert sind.“ Die Einbindung in ein Chemie-Netzwerk direkt vor der Haustür, das ideal gelegene Grundstück und die unkomplizierte Abwick-lung mit Chemiepark-Geschäfts-führer Patrice Heine waren weite-re wichtige Faktoren. Das Gelände ist so gewählt, dass man sich da-rauf noch erweitern kann, aktuell sind erst ca. 3.000 Quadratmeter bebaut. Ideen für die weitere Entwicklung sind genug vorhanden. „Aber das“, sagt Oliver Kolbe, „ist erst einmal noch die Musik von morgen.“

Im Jetzt und heute hatte beachemie – der Name steht für Bitterfelder Enzyme und Acetate Chemiewerke – in der gesamten Planungs- und Bauphase kräftig aufs Tempo gedrückt und fast durchgängig grünes Licht erhalten. „Wir sind auf der grünen Wiese gestartet, das gibt viele Freiheiten, aber auch viele Herausforderungen“, erzählt Markus Oster. „Allerdings sind wir in einem Be-reich der Genehmigungen schon sehr gegängelt worden“, sagt Oliver Kolbe, „seit Dezember 2022 war unser Bauvorhaben beendet und alles andere eigentlich genehmigungsreif, aber ein Prüfer hat vieles verzögert und der Landkreis hätte sich hier deutlich mehr für uns ins Zeug legen können.“ Doch dies liegt nun hinter dem Unternehmen, bei dem sich ein Blick in die große Produktions-halle durchaus lohnt. Überraschend dabei: Der überwiegende Teil der Fläche ist für das Lager vorgesehen, mehr als 1.000 Paletten können hier organisiert werden.

Der Produktionsprozess hingegen ist überschaubar, vor allem aber hochautomatisiert. Auch deshalb werden im jetzigen Ausbaustand insgesamt nur etwa 25-30 Mitarbeiter beachemie angehören. Die arbeiten in einem 3-Schicht-Betrieb an 6 Tagen in der Woche, Sonntag ist frei. „Es war nicht schwer, dieses gute Personal zu finden“, sagt Oliver Kolbe, der als Schlagworte für gelungene Rekrutierung aber auch ein gutes Arbeitsklima nennt: „Fair in der Bezahlung sein, direkt mit den Leuten kommunizieren, transparent sein, sie einbinden in die Prozesse.“ Auch für Dr. Markus Oster ist dies für den Erfolg entscheidend. „Wir wollen Mitarbeiter, die sich mit einbringen, Eigenverantwortung zeigen. Das wollen wir stärken.“ Auch im Hinblick darauf, dass sowohl Kolbe, der aus Dresden stammt und jetzt in München wohnt, und Oster, der am Niederrhein zu Hause ist, Bitterfeld nicht zu ihrer neuen Wahlheimat gemacht haben. Was aus ihrer Sicht nicht gegen die Region, sondern eher für eine globalisierte Wirtschaft spricht, zu der sich beachemie zugehörig fühlt.

SOGAR CO2-NEGATIV?

Ein weiteres großes und in Umsetzung befindliches Ziel wurde von den Unternehmern noch ein-mal ganz besonders herausgehoben: beachemie möchte CO2-neutral produzieren. Auf dem Dach ist dafür eine Photovoltaik- Anlage geplant, im Produktionsprozess entstandene Energie wird weiter-verwertet. „Wir streben sogar eine CO2-Negativität an, das würde uns zusätzlich Einzigartigkeit in unserer Branche verschaffen.“, sagt Dr. Markus Oster. Im Mittelpunkt aber stehen natürlich das Produkt und sein Markteintritt sowie der wirtschaftliche Erfolg, der Arbeitsplätze sichern soll. „Unternehmen zu gründen und deren Aufbau mitzubegleiten, ist für mich nichts Neues in meinem Berufsleben“, sagt Oliver Kolbe, „diese Erfahrungen nehme ich mit in diese Investition. In eine Sache, wo wir von A-Z wissen, was wir tun.“ Man sei sich sicher: „Unser Konzept stimmt, es ist komplett von der Produktentstehung bis zum Kunden und vom Kunden aus rückwärts in je-dem Detail und Prozessschritt durchdacht. Wir wissen, was wir können und wir kennen unsere Märkte.“ Die Kunden sind dabei europaweit zu finden. „Unser Ziel ist“, lächelt Kolbe, „dass, was wir uns ausgedacht haben, rasch zum Laufen zu bringen und zu einem Erfolg zu machen.“
Der Anfang ist gemacht, auch wenn man diesen von der anderen Straßenseite aus aktuell nicht sofort wahrnimmt. „Die nächsten Fortschritte sind nicht mehr von außen sichtbar“, sagt Oliver Kolbe, „denn jetzt füllen wir den Maschinenraum drinnen mit Leben.“

Bilder: Splitter // Michael Gueffroy

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